Neben dieser "aktiven" Grundsäule der Physiotherapie gibt es weitere "passive" Anwendungen, wie beispielsweise die physikalische Therapie oder auch die manuelle Therapie. Ziel der aktiven (und passiven) Therapie ist es, mit den jeweils zur Verfügung stehenden Methoden Bewegung in ihrer Entwicklung zu fördern und zu erhalten, diese beispielsweise nach Unfällen wieder herzustellen, Schmerzen zu reduzieren oder das Bewegungsvermögen durch Krafttraining oder Konditionsübungen positiv zu beeinflussen.
Bewegungstherapie in der Physiotherapie hilft unter anderem Betroffenen,
Bewegungstherapie kann sich aus verschiedenen Methoden, Konzepten und Techniken zusammensetzen, wobei v.a. deren Wirkmechanismen im Hinblick auf das gesundheitliche Problem Berücksichtigung finden. Die Auswahl der Therapie richtet sich auch danach, in welchem Bereich des menschlichen Bewegungssystems die Beeinträchtigungen vorliegen, wie z.B. Muskeln, Sehnen, Bänder oder Gelenke. Es gibt aber auch Erkrankungen, die im Nervensystem ihre Ursache haben und den Betroffenen in der Bewegung einschränken. Ebenso sind auch Auswirkungen des Organsystems, der Wahrnehmung (Erleben und Verhalten) und allgemein der Bewegungsentwicklung und -kontrolle mögliche Ursachen.
Ziel der Bewegungstherapie ist es, Einschränkungen in der Mobilität sowie Schmerzen zu verringern und den Betroffenen durch verbesserte Beweglichkeit zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Weiters wird versucht, eine ökonomische Körperhaltung zu erarbeiten, um eine stabile Position des Körpers mit möglichst wenig Energieaufwand zu unterstützen.
Durch die Verbesserung des Stoffwechsels in Muskeln, Knorpeln, Knochen und Gelenken können mithilfe der Bewegungstherapie Schmerzen reduziert werden (z.B. Rückenschmerzen). Die Bewegung trägt auch zu einer Verbesserung verschiedener Funktionen bei, wie etwa der Gelenke im Falle von rheumatischen Erkrankungen.
Die Bewegungstherapie bietet keine einheitliche "Standardtherapie" sondern den Rahmen für verschiedene – einander ergänzende – spezielle Techniken, Methoden und Konzepte, die auf das jeweilige Krankheitsbild abgestimmt sind und den Bedürfnissen des Betroffenen individuell angepasst werden. Beispiele dafür sind:
Diese Anwendung macht sich die Funktion der Muskeln zunutze und kommt vor allem bei Schmerzen, Fehlhaltungen und bei unbeweglichen Gelenken zum Einsatz. So etwa werden bei verkürzten Muskeln diese immer wieder angespannt und entspannt, wodurch das Gelenk über den Muskel aktiv mobilisiert wird. In einer Übungssequenz wird beispielsweise bei eingeschränkter Funktion des Schultergelenks (z.B. bei Arthrosen) der Arm des Betroffenen bis zur schmerzhaften Position geführt. Dann wird der Muskel gegen den (sanften) Widerstand des Therapeuten für einige Sekunden angespannt. Hierauf folgt eine Entspannungsphase. Ziel ist es, einen größeren Bewegungsspielraum zu gewinnen.
Dieses Konzept nützt das Prinzip des Zusammenspiels von Nerven- und Muskelsystem. Therapeutisch gesetzte Reize (Dehnung, Zug und Druck) werden mittels spezieller Grifftechnik wiederholt durchgeführt.
Als "Propriozeptoren" bezeichnet man Rezeptoren in den Muskeln bzw. im Muskel-Sehnen-Übergang, die uns Informationen geben, in welcher Position sich unsere Körperteile befinden. Bei der Behandlung stimuliert der Therapeut durch manuelles Drücken diese Rezeptoren. Die Nerven leiten den Impuls zur Bewegung an die Muskeln weiter. Diese wird passiv (vollständig durch den Therapeuten), assistiv (unterstützt durch den Therapeuten) bzw. resistiv (gegen den Widerstand des Therapeuten) ausgeführt. Diese Stimulationen wirken sich aktivierend und normalisierend auf die Muskelspannung aus. So können abgeschwächte einzelne Muskeln und ganze Muskelketten in bestimmten diagonalen Bewegungsmustern angesprochen und die Beweglichkeit und Koordination der Muskeln gefördert werden. Das Bewegungsausmaß kann verbessert werden.
Speziell geschulte Therapeuten der manuellen Therapie erkennen Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungssystems (an Gelenken der Beine und Arme oder an der Wirbelsäule) oder lokalisieren den tatsächlichen Ausgangspunkt von Kopfschmerzen, Schwindel und Verspannungen in diesem Bereich.
Mit speziellen Mobilisationen (z.B. Traktion = Zug auf das Gelenk) und sogenannten Weichteiltechniken (Muskulatur, Sehnen, Bänder, Faszien) können diese Beschwerden behandelt werden. Vereinfacht gesagt: geht beispielsweise ein Schmerz vom Kniegelenk aus, führt der Therapeut kurze, rhythmische aber schonende Bewegungen mit dem betroffenen Bein in verschiedenen Gelenksstellungen aus. Ist der Schmerz auch von Gelenkssteifigkeit begleitet, kann der Therapeut durch sanfte Zug- und Drucktechniken nach mehreren Übungen eine schmerzlose Mobilisation ermöglichen, die von Übung zu Übung einen immer größeren schmerzfreien Bewegungsspielraum erlaubt.
Im Rahmen einer medizinischen, präventiven oder kurativen Behandlung wird mit klaren Indikationen und zum Erreichen definierter Therapieziele ein Trainingsplan erstellt. Die motorischen Grundeigenschaften (Ausdauer, Kraft, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit) werden trainiert. Das Trainingsprogramm wird individuell auf die Bedürfnisse und das Krankheitsbild des Betroffenen (nach speziellen Untersuchungstechniken) zugeschnitten. Bei Übergewicht, Diabetes, Osteoporose, Rückenschmerzen, Bluthochdruck oder zur Steigerung der Leistungsfähigkeit ist dies eine probate aktive Behandlungsform. Zum Einsatz kommen auch spezielle Trainingsgeräte, wie etwa Seilzüge, elastische Übungsbänder oder Hanteln.
Dieses Konzept wurde zur Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit angeborenen und/oder erworbenen Störungen des Zentralnervensystems (z.B. nach neurologischen Erkrankungen oder Schlaganfall mit Lähmungen) entwickelt. Als Grundannahme gilt, dass das Nervensystem lernfähig ist. Der Betroffene lernt mithilfe des Therapeuten "vergessene" Bewegungen und Haltungen zu vollführen, die sich im Laufe der Therapie "verinnerlichen". Ziel ist es, Betroffenen zu einem autonomen Leben zu verhelfen.
So etwa neigen Betroffene, die z.B. nach einem Schlaganfall eine halbseitige Lähmung haben dazu, dass sie versuchen, verlorene Funktionen mit der anderen Körperhälfte zu kompensieren. Der Therapeut setzt hier an, um das verblieben Potenzial der betroffenen Körperhälfte zu nutzen und leitet durch geführte Bewegungen einen Lernprozess des Gehirns ein. So sollen die "vergessenen" Bewegungsmuster wieder hergestellt werden, was dank der lebenslangen Lernfähigkeit des Gehirns (Plastizität) möglich sein kann. Bis dato nicht genutzte Bereiche im Gehirn "organisieren" sich neu, übernehmen Funktionen der erkrankten Areale und ermöglichen ein zusehend physiologischeres Bewegungsverhalten und eine gesteigerte Mobilität des Betroffenen.
Dieses äußerst komplexe Konzept orientiert sich an elementaren Bewegungsmustern bei Patienten mit geschädigtem Zentralnervensystem und/oder Bewegungsapparat. Bei der Therapie ist der Betroffene häufig in Rücken-, Bauch- oder Seitenlage. Der Therapeut stimuliert durch Druck oder Zug bestimmte Reflexzonen am Körper. Diese Reize lösen über das Zentralnervensystem – vereinfacht gesagt – zwei Arten von Reflexen aus: Entweder der Betroffene dreht sich unwillkürlich um oder er vollzieht Kriechbewegungen. Es kommt zum "Wiedererlernen" motorischer Abläufe. Dieser Zugang aktiviert Muskeln über das Zentralnervensystem und wird u.a. bei Erkrankungen der Wirbelsäule, Muskelerkrankungen, Lähmungen, Bewegungsstörungen oder angeborenen Koordinationsstörungen angewendet. Eine positive Auswirkung auf die Gangsicherheit oder auf ein stabiles Stehen des Betroffenen ist möglich.
Der Unterschied zu anderen physiotherapeutischen Maßnahmen liegt darin, dass nicht konkrete Bewegungsfunktionen geübt werden, sondern mit der Aktivierung einer sog. "Reflexlokomotion" ("Reflex" = Reaktion auf einen bestimmten Reiz, "Lokomotion" = Fähigkeit zur Bewegung) gearbeitet wird. Durch häufige Wiederholung wird das Auftreten von "Ausweichbewegungen" vermieden.
Wichtig ist es, dass Sie nach der Therapie mit dem Physiotherapeuten auch selbständig weiter zu trainieren und Erlerntes umzusetzen, wie etwa neu / wieder erlernte Bewegungsmuster in den Alltag zu integrieren.
Gemäß dem Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) sind Therapeuten des gehobenen physiotherapeutischen Dienstes befugt, entsprechende Behandlungen bei Patienten (d.h. mit einem Krankheitsgeschehen) auf ärztliche Anweisung durchzuführen. In der Gesundheitsförderung und Prävention ist eine solche Verordnung nicht nötig.
In Österreich ist dafür eine dreijährige akademische Ausbildung (Fachhochschule FH) , vorgesehen und gesetzlich geregelt. Die Absolventen tragen die Berufsbezeichnung "Physiotherapeut".
Je aktiver Sie sich in der Therapie einbringen, desto besser sind Ihre Erfolgschancen. Sie sollten sich bewusst machen, dass Eigeninitiative und Durchhaltevermögen gefragt sind.
Basis für den Therapieerfolg ist das Mitwirken der Betroffenen. Ein guter Allgemeinzustand ist keine Voraussetzung, da die physiotherapeutischen Mittel der Bewegungstherapie die Möglichkeit in sich bergen, immer an den Zustand des Gegenübers angepasst zu werden (z.B. Anwendung in der palliativen Betreuung). Bei fortgeschrittenen Herzerkrankungen, Krankheiten an inneren Organen, Lähmungen oder Multipler Sklerose ist dem Umfang der Bewegungstherapie eine natürliche Grenze gesetzt, die jedoch durch individuelle Anpassung laufend ausgedehnt werden kann.
Bewegungstherapie wird im Rahmen der Physiotherapie großteils in Krankenanstalten (amulant oder stationär), Ambulatorien oder durch freiberuflich tätige Physiotherapeuten durchgeführt. In diesem Rahmen bzw. wenn die Therapie vom Arzt verordnet wird, werden die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernommen. Für Physiotherapie im Rahmen von privaten Leistungen beteiligen sich einzelne Kassen mit einem Zuschuss. Im niedergelassenen Bereich gibt es gibt es Vertrags- und Wahltherapeuten. Letztere rechnen direkt mit dem Patienten ab. Liegt eine chefärztliche Bewilligung zur Behandlung vor, werden Teilbeträge von den Kassen rückerstattet.
Vorträge im Rahmen des MINI MED Bewegungstages am 6.6.2019 in Graz
Die Schmerzen wegtrainieren? Mit der richtigen Bewegung Rücken, Gelenke und Co harmonisieren
Referentin: Mag. Dr. Petra Außer-Gröbl
Die Jüngsten erfolgreich für Sport motivieren und dabei das Verletzungsrisiko minimieren
Referent: Mag. Arne Öhlknecht
Sport hat keine Altersbeschränkung: Aktiver Alltag statt Ruhestand
Referent: Mag. Arne Öhlknecht
Ein Bundesland in Bewegung: So sportlich sind die SteirerInnen
Referentin: Mag. Eva Robl
Bewegung trotz Krebsdiagnose: Positive Auswirkungen von Bewegung auf Körper und Psyche
Referentin: Mag. Eva Sedaghat