Clusterkopfschmerz (Bing-Horton-Syndrom, Erythroprosopalgie)

Frau hat starke Kopfschmerzen.
Pochende Schmerzen im Bereich der Stirn, der Schläfen und der Augen sind typisch für den Clusterkopfschmerz
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Der Clusterkopfschmerz ist eine sehr seltene Form von Kopfschmerz, welche in Serien von Wochen bis Monaten (Cluster-Episoden) mit überwiegend nächtlichen Attacken auftritt.

Medizinische Expertise

Andreas Doppelbauer

Prim. DI Dr. Andreas Doppelbauer

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Liechtensteinstrasse 67, 2130 Mistelbach
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Er ist durch extrem starke und fast immer einseitige Schmerzen im Bereich der Augen, der Stirn und der Schläfe gekennzeichnet. Im Gegensatz zur Migräne bringt Bewegung und Drücken bzw. Beklopfen der schmerzenden Kopfteile eine Erleichterung der Schmerzen. Der Clusterkopfschmerz tritt jahreszeitlich gehäuft in Episoden von etlichen Wochen auf, im Tagesverlauf häufig regelmäßig und nächtlich betont mit mehreren maximal 2 Stunden dauernden Attacken. Die Kopfschmerz-Attacken sind in der Regel von einseitigem Nasenfluss und/oder Tränenfluss begleitet. Schmerzstillende Medikamente kommen meist zu spät und sind häufig außerdem nicht wirksam, daher werden andere Mittel bei der Therapie eingesetzt.

Der Clusterkopfschmerz ist eine Kopfschmerzform, die bei einem von 1.000 Menschen vorkommt. Männer sind dabei häufiger betroffen als Frauen, das Verhältnis liegt zirka bei 3 zu 1. Das durchschnittliche Erkrankungsalter der episodischen Form liegt bei etwa 28 Jahren und bei der chronischen Form bei etwa 37 Jahren. Selten kann der Clusterkopfschmerz im Kindesalter oder im späteren Alter erstmals auftreten.

Wodurch der Clusterkopfschmerz genau verursacht wird und was die eigentlichen Auslöser sind, ist noch nicht genau bekannt. Vermutet wird, dass ein fehlgesteuerter Bereich im Zwischenhirn (Hypothalamus) unter anderem zu einer veränderten Durchblutung im Gehirn und einer gestörten Ausschüttung bestimmter Hormone wie Melatonin führt. Während der Cluster-Episode und bei der chronischen Form können Alkohol oder Histamin einen Kopfschmerz auslösen.

Der Clusterkopfschmerz (Cluster = Häufung) tritt anfallsartig, charakteristisch meistens nachts und gehäuft im Frühjahr und Herbst auf. Es kommt zu folgenden Symptomen:

  • Regionen: Der Clusterkopfschmerz tritt meist periorbital, d.h. um das Auge herum auf, aber auch andere Regionen des Schädels bis hin zu Schulter und Armen können schmerzen
  • Einseitiger Schmerz: Starker einseitiger Kopfschmerz während einer Attacke, ein Seitenwechsel tritt dabei nicht auf
  • Bohrende Schmerzen: Die Schmerzen werden als bohrend, stechend und mit unerträglich starker Intensität beschrieben
  • Bewegung lindert: Besserung der Schmerzen bei Bewegung
  • Auftreten in der Nacht: Drei Viertel der Attacken treten in der Nacht auf, seltener mittags und abends.
  • Attackendauer: Eine Attacke dauert mindestens 15 Minuten und dauert maximal 180 Minuten, es können dabei bis zu 8 Attacken pro Tag auftreten, im Schnitt 3 Attacken pro Tag, mindestens 1 jeden 2. Tag.

Begleitsymptome können sein

  • Augenrinnen, Augenrötung
  • Naserinnen
  • Herabhängen des Lids (Ptose)
  • Lidschwellung (Lidödem)
  • Miose (Verengung der Pupille)
  • Vermehrtes Schwitzen im Gesicht
  • Migräneähnliche Symptome wie Übelkeit, Lichtempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit
  • Körperliche Unruhe und Agitiertheit
  • Aura-Phänomene

Es wird zwischen der episodischen und der chronischen Form unterschieden. Nach einer Episode sind Betroffene oft jahrelang beschwerdefrei, bis wieder eine Clusterkopfschmerz-Phase auftritt:

Eine Episode dauert beim Clusterkopfschmerz durchschnittlich etwa 8 Wochen an, sie kann aber auch kürzer oder wesentlich länger (bis zu einem Jahr) ausfallen.

Die chronische Form dauert mehr als ein Jahr an, wobei die schmerzfreien Intervalle kürzer als 4 Wochen sind. Dabei kommt es zu täglichen Attacken nahezu ohne beschwerdefreie Intervalle.

Eine Anlaufstelle beim erstmaligen Auftreten eines Clusterkopfschmerzes ist meist der Facharzt für Neurologie oder eine Ambulanz. Im Durchschnitt dauert es allerdings 8 Jahre, bis die richtige Diagnose "Clusterkopfschmerz" gestellt wird. Folgende Untersuchungen werden im Allgemeinen durchgeführt:

  • Ausführliche Anamnese beim Beratungsgespräch mit dem behandelnden Arzt:
    • Wie lange dauert eine Attacke an?
    • Ist die Attacke einseitig oder beidseitig?
    • Wie schwer sind die Schmerzen während einer Attacke?
    • Gibt es Begleitsymptome?
    • Wo tritt der Schmerz auf?
    • Wie ist das Verhalten während einer Attacke?
  • Allgemeine klinische neurologische Untersuchung
  • Ausschluss anderer Erkrankungen (zum Beispiel eines Glaukom-Anfalls oder einer Raumforderung im Gehirn) durch ein Schädel-Computertomographie oder eine Kernspintomographie
  • Diagnosekriterien der internationalen Kopfschmerzgesellschaft

Bei der Therapie eines Clusterkopfschmerzes wird zwischen der Akuttherapie und der Vorbeugung unterschieden.

Akuttherapie

Bei der medikamentösen Therapie stehen verschiedene Wirkstoffe und Darreichungsformen zu Verfügung. Der behandelnde Arzt entscheidet, welche der rezeptpflichtigen Wirkstoffe in welcher Dosierung und in welcher Dauer zum Einsatz kommen: der Behandlungsplan ist abhängig vom Verlauf und wie gut der Betroffene auf die Medikation anspricht. Schmerzstillende Medikamente (Analgetika) helfen dem Betroffenen, im Gegensatz zu anderen Kopfschmerzarten, nicht.

  • Sauerstoff: Bei der frühzeitigen Inhalation von 100 % Sauerstoff sprechen etwa 70 % der Betroffenen an. Dabei wird 15 Minuten mit mindestens 7 Liter 100 % Sauerstoff pro Minute über eine Gesichtsmaske inhaliert. Während der Inhalation sollte der Betroffene leicht nach vorne gebeugt sitzen.
  • Triptane: Injektion unter die Haut
  • Nasenspray
  • Lokalanästhetikum: als Tamponade in der Nase als Alternative möglich

Verschiede Medikamente können auch vorbeugend zum Einsatz kommen.

Da Veränderungen der Lebensgewohnheiten, wie zum Beispiel Ernährung, Entspannung oder Stressbewältigung, den Verlauf des Clusterkopfschmerzes nicht wirklich beeinflussen, ist es sinnvoll, bei anderen Betroffenen etwa in Selbsthilfegruppen Unterstützung zu suchen.

  • Halten Sie sich an den von Ihrem Arzt aufgestellten Behandlungsplan und fragen Sie nach etwaigen Nebenwirkungen der Therapie.
  • Meiden Sie alkoholische Getränke.
  • Histaminhaltige Nahrung, wie Käse, Salami und Fertiggerichte oder Histamin freisetzende Lebensmittel, wie Hülsenfrüchte, Tomaten und Schokolade können möglicherweise einen Clusterkopfschmerz hervorrufen und sollten deshalb ebenso gemieden werden.
  • Nehmen Sie keine gefäßerweiternden Nitrat-haltigen Medikamente ein und informieren Sie Ihre behandelnden Ärzte darüber.
  • Da Nikotin Clusterkopfschmerzen hervorrufen kann, ist es sinnvoll, auf das Rauchen zu verzichten.
  • Treiben Sie Bewegung! Vielen Betroffenen helfen Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren, Walking, Schwimmen, etc... zur Besserung ihrer Beschwerden.

Eine weitere Möglichkeit ist das Führen eines Kopfschmerztagebuchs, es bietet eine gute Unterlage für das Arztgespräch.

Mehr lesen » Kopfschmerz: Lebensmittel als Auslöser


Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Erstellt am:

29. Dezember 2016

Stand der medizinischen Information:

29. Dezember 2016


ICD-Code:
  • G44

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