Hinteres Tarsaltunnelsyndrom

Arzt prüft Reflexe
Zur Diagnose stehen verschiedene Tests bzw. Methoden zur Verfügung.
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Taubheitsgefühl an der Fußsohle, Kribbeln und ein schmerzhaftes Brennen an der Ferse können Anzeichen für ein Tarsaltunnelsyndrom sein.

Medizinische Expertise

Veith Moser

Dr. med. univ. Veith Moser

Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Hand- und Nervenchirurgie
Schottengasse 7/5, 1010 Wien
www.veithmoser.at
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Bei einem hinteren Tarsaltunnelsyndrom (TTS) handelt es sich um ein Nervenkompressionssyndrom im Fuß, das durch Reizung oder Druckschädigung des im sogenannten Tarsaltunnel verlaufenden Nervus tibialis bzw. Schienbeinnervs oder einer seiner Äste entsteht.

Ist hingegen der Nervus peroneus profundus bzw. Nervus fibularis profundus am Fußrücken oder im Bereich des Sprunggelenks eingeengt, spricht man vom vorderen Tarsaltunnelsyndrom oder Fibularis-Syndrom. Der genannte Nerv verläuft unterhalb eines festen Bandes, des Retinaculum extensorum inferius, auch Ligamentum cruciforme genannt, und wird von diesem, in manchen Fällen aber auch vom kurzen Großzehenstrecker, dem Musculus extensor hallucis brevis, eingeengt.

Es gilt als Pendant zum Karpaltunnelsyndrom an der Hand und geht u.a. mit brennenden Schmerzen, Taubheitsgefühl, Sensibilitätsstörungen und Lähmung der kurzen Fußmuskulatur einher. „Meine Patienten berichten, dass ihre Zehen einschlafen oder sich taub anfühlen, sie verspüren ein Kribbeln sowie Brennschmerzen im Fußgewölbe, der Fußsohle oder an der Innenseite der Ferse“, so Dr. Veith Moser, Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie und Nervenchirurgie. Der Oberarzt im AUVA Traumazentrum Wien am Standort Lorenz Böhler und Gründer des 1. Wiener Nervenschmerz Zentrums weiß: „Die Ursachen für Nervenkompressionssyndrome sind mannigfaltig. Das Tarsaltunnelsyndrom kann aufgrund verschiedener Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder rheumatoider Arthritis ebenso entstehen wie nach Traumata (z.B. Bruch des Sprunggelenks) oder aufgrund einer Fußfehlstellung“. Um es zweifelsfrei festzustellen, stehen die hochauflösende Sonographie (Ultraschall) sowie andere Methoden zur Verfügung. Die Behandlung des Tarsaltunnelsyndroms kann konservativ und chirurgisch erfolgen.

Wenngleich Karpal- und Kubitaltunnelsyndrom als häufigste Nervenkompressionssyndrome gelten, ist das Tarsaltunnelsyndrom seit etwa 1933 bekannt und wurde erstmals 1962 als TTS bezeichnet. Da es des Öfteren bei Läufern auftritt, wobei zumeist falsches Schuhwerk für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich zeichnet, wird es auch „Jogger's Foot“ genannt. Zur Risikogruppe zählen außerdem Diabetiker, deren periphere Nerven sich mit Wasser füllen und anschwellen, was zu einem Engpass im Tarsalkanal führt, der nicht nur den Nervus tibialis beherbergt.


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Ausgelöst wird das hintere Tarsaltunnelsyndrom durch einen eingeengten, gereizten und irritierten Nerv, der im Tarsalkanal unterhalb des Innenknöchels verläuft. Nachdem er sich mit der hinteren Schienbeinarterie und einigen Sehnen diese knöcherne Rinne teilt, ist es in diesem Bereich anatomisch bedingt recht eng. Auf der einen Seite befindet sich der Knochen, auf der anderen ein bandartiges Dach, das Ligamentum laciniatum, auch Retinaculum musculorum flexorum pedis genannt. Kommt es innerhalb dieser beiden Bereiche zu einem Missverhältnis zwischen dem Durchmesser des Nervs (und seines umliegenden Gewebes) und dem Durchmesser des Kanals, entsteht ein Engpass. Dafür zeichnen beispielsweise verantwortlich:

  • Traumata: Fraktur des Sprunggelenks, Bänderrisse, Sehnenverletzungen
  • Anschwellen des Sehnengleitgewebes, der Sehnen oder des Nervs selbst: aufgrund verschiedenster Erkrankungen wie Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, Arthrose, Gicht, Schilddrüsenerkrankungen
  • Gelenkausstülpungen, Tumoren, Ganglien, Krampfadern
  • falsches Schuhwerk: meist in Kombination mit Fußfehlstellungen (z. B. flaches Fußgewölbe)

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Die Symptome des Tarsaltunnelsyndroms entstehen durch eine Druckerhöhung bzw. Irritation und die daraus resultierende Reizung des Nervus tibialis oder einer seiner Äste. Der Schienbeinnerv ist für die Versorgung der Muskeln an der Fußsohle über den Nervus plantares medialis und den Nervus lateralis verantwortlich, weshalb eine Beeinträchtigung desselben sich auf den gesamten Fuß auswirken kann.

Zu den Symptomen zählen:

  • Schmerzen und Taubheitsgefühl in den Zehen
  • Schmerzen und Parästhesien im Bereich der Fußsohle
  • Brennen, Stechen und Kribbeln im Innenknöchelbereich, im Fußgewölbe und der Fußsohle sowie im Bereich der inneren Ferse
  • Taubheitsgefühl im gesamten Fuß

Je nach Krankheitsstadium treten die Symptome entweder nachts und in Ruhe auf oder während sportlicher Aktivitäten bzw. in Bewegung. Meist lassen sie sich mittels Hochlagern und Ruhigstellung lindern.

Zur Diagnosestellung stehen verschiedene Tests bzw. Methoden zur Verfügung, die das Tarsaltunnelsyndrom zweifelsfrei nachweisen sollen. Allerdings können die Ergebnisse unter Umständen falsch ausfallen, weshalb verschiedene Diagnoseverfahren zur Anwendung kommen sollten.

Folgende stehen zur Verfügung:

  • Hoffmann-Tinel-Zeichen: Beklopft der Diagnostiker den Nervus tibialis im Bereich des Innenknöchels und es kommt zu Parästhesien (unangenehme Empfindung, die nicht zwingend mit Schmerzen einhergehen muss), spricht man von einem positiven Hoffmann-Tinel-Zeichen. Dieses deutet auf ein Nervenproblem in diesem Bereich hin.
  • Elektroneurographie (ENG) bzw. Nervenleitgeschwindigkeitsmessung: Der Nerv wird elektrisch stimuliert, um seine Leitgeschwindigkeit zu überprüfen. Mitunter kann dieser Test ein falsches Ergebnis liefern, obwohl die Erkrankung anhand anderer Ergebnisse eindeutig nachgewiesen werden konnte.
  • Sonographie bzw. hochauflösender Ultraschall: Mittels dieser Bildgebung lässt sich zweifelsfrei feststellen, in welchem Zustand sich periphere Nerven befinden und ob sie aufgrund anatomischer Gegebenheiten Probleme haben. Was MRT, CT oder Röntgen nicht zeigen können, kann der Ultraschall im Falle peripherer Nerven millimetergenau darstellen.

Ein Tarsaltunnelsyndrom sollte zunächst konservativ behandelt werden. Allerdings richtet sich die Behandlung immer nach Art und Dauer der Beschwerden und sollte individuell auf den Betroffenen abgestimmt werden.

  • Konservative Therapie: Physiotherapie, Ruhigstellung, Kompression, Eis- oder Salbenverbände, Trainingskarenz, Iontophorese sowie die Einnahme steroidaler Antirheumatika gelten als Möglichkeiten, das Tarsaltunnelsyndrom zu therapieren. Des Weiteren können ultraschallgezielte Kortisoninjektionen ebenfalls die Entzündung hemmen bzw. die Schmerzen lindern und ein Abschwellen des Gewebes bewirken. Außerdem helfen Einlagen mitunter, den mechanischen Druck auf den Nerv zu verringern.
  • Chirurgische Therapie: Tritt nach etwa sechs bis acht Wochen keine nennenswerte Besserung ein oder kehren die Beschwerden zurück, sollte ein operativer Eingriff angedacht werden. Im Rahmen desselben erfolgt ein etwas zehn Zentimeter langer Schnitt oberhalb des Fußinnenknöchels an ihm vorbei Richtung Fußsohle, um das Dach im Tarsalkanal vollständig spalten und den Nerv bei Bedarf von Gewebe befreien zu können (= Neurolyse). In dem meisten Fällen erholt sich der Nerv vollständig und die Symptome verschwinden unmittelbar nach der Operation. Eine Ruhigstellung darf nicht erfolgen, aber die Verwendung von Gehhilfen/Krücken ist unabdingbar, um den Fuß nicht vollständig zu belasten.
  • Chirurgie der peripheren Nerven, Hanno Millesi, Urban & Schwarzenberg, München – Wien – Baltimore, 1992
  • Pain Solutions (Third Edition), A Lee Dellon, Lightning Source Inc, La Vergne, 2013
  • Manual of Peripheral Nerve Surgery – From the Basics to Complex Procedures, Mariano Socolovsky, Lukas Rasulic, Rajiv Midha, Debora Garozzo, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart – New York – Delhi – Rio de Janeiro, 2018

Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

23. Juli 2020

Erstellt am:

30. Juli 2018

Stand der medizinischen Information:

23. Juli 2020


ICD-Code:
  • G57

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