Wenn Kinder Angst haben

Viele Kinder fürchten sich vor Dunkelheit und haben Angst vor dem Einschlafen.
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Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Etwa jedes 10. Kind ist betroffen. Je nach Lebensalter treten bei Kindern mitunter typische Ängste auf.

Medizinische Expertise

Roland Grassl

Dr. Roland Grassl

Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Kandlgasse 5/31, 1070 Wien
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Dazu zählen Ängste wie Trennungsängste, Angst vor der Dunkelheit, später Versagensangst und vieles mehr. Jede dieser Ängste ist ein Zeichen einer wichtigen Entwicklungsaufgabe des Kindes oder des Jugendlichen, die bewältigt werden muss. Ängste sind normal und haben eine schützende Funktion. Aufgrund unterschiedlicher Ursachen, wie unsichere Bindungen oder, elterliche Angststörungen, Depressionen oder Drogen können krankhafte Ängste entstehen.

Ängste im Entwicklungsverlauf

Es gibt seit den frühen 2000er Jahren sichere Hinweise darauf, dass schwangere Frauen ihre Angst über hormonale Reaktionen, wie etwa Kortisol, CRH oder Adrenalin ihren ungeborenen Kindern übermitteln. Stress für die Mutter bedeutet auch Stress für den Fötus.

Normale Ängste

In unterschiedlichen Lebensabschnitten können typische Ängste auftreten, wie etwa

  • in den ersten Lebensmonaten: meist eine Mischung aus negativen Gefühlen, das Baby schreit oder Trennungsängste ab dem 8. Lebensmonat.
  • im Kleinkindalter: ab dem 1. Lebensjahr bis hin zur Schule – Angst aufgrund großer Fantasie, aber auch Medienkonsum. Angst vor Einbrechern, Dunkelheit, Tieren und Naturgewalten sind häufig.
  • im Volkschulalter: gruppenbasierte Ängste, wie Versagensängste, Ängste vor Ausgrenzung, Beschämung oder Auseinandersetzungen mit verschiedenen Gruppen (Peers) und Eltern.
  • in der Adoleszenz: es entstehen soziale Ängste. Sie ist die häufigste Angst Jugendlicher.

Jede dieser Ängste ist ein Zeichen einer wichtigen Entwicklungsaufgabe des Kindes oder des Jugendlichen, die bewältigt werden will und sie daran wachsen und Erfahrungen sammeln lässt.

Pathologische Ängste

Für pathologische Ängste gibt es unterschiedliche Auslöser, wie etwa unsicheres Bindungsverhalten, unangemessene elterliche Kontrolle, Gleichgültigkeit, elterliche Angststörung oder Depression, körperliche Ursachen wie (Neben-)Schilddrüsenunterfunktion, Migräne, Asthma sowie manche Medikamente und Drogen, andere psychiatrische Erkrankungen wie Posttraumatische Störungen, Psychosen oder Zwänge.

Generalisierte Angststörung

Diese charakterisiert sich durch generelles Unwohlsein und Sorge über weite Strecken des Tages auf verschiedenste Objekte und Situationen bezogen. Sie sind im Kindesalter selten und treten meist erst in der späten Jugend auf; sehr oft leiden die Menschen auch im Erwachsenenalter darunter.

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Panikstörung

Darunter sich Angstattacken zu verstehen, die mit zum Teil massiven körperlichen Reaktionen einhergehen, wie Herzrasen, Kurzatmigkeit, Schwitzen, Würgegefühlen, Bauchschmerzen und Harndrang. Zu Beginn lässt sich kein Auslöser finden, nach und nach entwickeln sich Situationen, die mit den Panikzuständen in Verbindung gebracht werden und beim nächsten Mal Panik auslösen (Angst vor der Angst). Auch diese Erkrankung tritt vor allem im Jugendalter und häufiger bei Mädchen auf.

Trennungsängste und Schulverweigerung

Die Angst vor der Trennung von einer Hauptbeziehungsperson beeinträchtigt das tägliche Leben maßgeblich. Inhalte der Angst sind die Sorge um eine Bezugsperson, oder dass man von der Bezugsperson in Stich gelassen wird, ob real (Scheidungssituation, Mobbing in der Betreuungseinrichtung) oder fantasiert. Oft leiden diese Kinder auch unter sozialen Ängsten im Allgemeinen, Schulverweigerung ist ein spezifischer Ausdruck der Trennungsangst.

Soziale Ängste

Kinder und Jugendliche, die sich vor Ausgrenzung, Verletzungen und Beschämung in Gruppen fürchten, leiden an sozialen Ängsten. Sie haben oft große Schwierigkeiten, in der Öffentlichkeit zu agieren wie z.B. Essen zu bestellen oder Referate zu halten. Sowohl kleine Kinder als auch Jugendliche erkranken daran.

Spezielle Phobien

Dabei handelt es sich um konkrete, unbegründete Angst vor Objekten (z.B. Tieren) oder Situationen (z.B. vor Wetter, Brücken, Aufzug). Möglicherweise ist dies die häufigste Angsterkrankung (bis 5%) mit den besten Therapieerfolgen.

Bei Verdacht auf eine Angststörung ist einerseits kein Grund zu überhastetem Agieren, gleichzeitig ist es aber auch nicht ratsam, anhaltende Ängste des Kindes oder des Jugendlichen zu bagatellisieren. Ein schneller Therapiebeginn erhöht die Erfolgschancen massiv.

Psychotherapie ist die erste Wahl bei der Behandlung von Angststörungen. Für die Verhaltenstherapie (CBT) gibt es solide wissenschaftliche Daten zum Erfolg. Aber auch psychodynamische Verfahren, wie die psychoanalytische Spieltherapie für (Vor-)schulkinder, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, humanistische Psychotherapie und systemische Familientherapie dürfen als klinisch erfolgreich eingeschätzt werden.

Geben Sie Ihrem Kind Sicherheit von Anfang an. Das erfolgt zunächst durch die Mutter, später durch andere wichtige Bezugspersonen. Sicherheit vermitteln aber auch klare und sinnvolle Regeln und wenn das Kind die Umwelt mit Neugier und ohne Gefährdung erforschen kann. Schutz und Begleitung führen dazu, dass das Kind auch soziale Gruppen als Bereicherung erfahren kann. Unter diesen Voraussetzungen behält die Angst ihren evolutionär sinnvoll entstandenen Platz als Gefühl zum eigenen Schutz.

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  • R. Siegler, J. DeLoache, N. Eisenberg, Deutsche Auflage S. Pauen(Hrsg.); Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter; Spectrum Akademischer Verlag Heidelberg 2008
  • BM für Gesundheit, Liste der Psychotherapeuten Österreichs (25.07.2017)

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Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Erstellt am:

25. Juli 2017

Stand der medizinischen Information:

25. Juli 2017

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