Ein Diabetes mellitus während der Schwangerschaft ist gut zu behandeln – wenn er erkannt wird. Um das zu garantieren, ist seit 2010 im Mutter-Kind-Pass ein Zuckerbelastungstest zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche für jede werdende Mutter vorgesehen. Meistens treten bei Gestationsdiabetes keine Symptome auf. Wird Schwangerschaftsdiabetes nicht behandelt, kann das für die Mutter und das Kind gefährlich sein. Grundsätzlich kann jede schwangere Frau Gestationsdiabetes entwickeln, für die Entstehung gibt es jedoch bestimmte Risikofaktoren.
Das österreichische Geburtenregister erhebt bislang nur Schwangerschaftsrisiken allgemein, ist jedoch gerade dabei, die Datenerhebung umzustellen und Gestationsdiabetes explizit abzufragen. Denn eines ist bereits klar: Diese Zuckerstoffwechselstörung ist eine der häufigsten Erkrankungen von Müttern in der Schwangerschaft; ähnlich häufig wie Bluthochdruck in der Schwangerschaft. Für unser Nachbarland Deutschland etwa liegen schon konkrete Zahlen vor: Bei knapp 5% der deutschen Schwangeren wird Gestationsdiabetes diagnostiziert.
Grundsätzlich kann jede schwangere Frau Gestationsdiabetes entwickeln. Denn der Stoffwechsel der Mutter verändert sich in dieser Zeit: Die Schwangerschaftshormone führen dazu, dass der Insulinbedarf steigt. Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert und sorgt dafür, dass die Glucose, also Zucker, aus dem Blut in die Zellen transportiert wird. Kann der Körper der werdenden Mutter den erhöhten Insulinbedarf nicht ausgleichen, steigt der Blutzuckerspiegel über ein gesundes Maß. Meist geschieht das in der 2. Schwangerschaftshälfte.
Übergewicht, eine Fettstoffwechselstörung, ein Metabolisches Syndrom oder ein Prädiabetes vor Eintreten der Schwangerschaft vorliegen
Sie während der Schwangerschaft überdurchschnittlich zunehmen
Sie bei Eintreten der Schwangerschaft über 30 Jahre alt sind
Sie unter Bluthochdruck (Hypertonie) leiden
Sie familiär vorbelastet sind, also ein enger Verwandter bereits an Diabetes mellitus Typ-2 erkrankt ist
Sie bereits in einer vorangegangenen Schwangerschaft Gestationsdiabetes entwickelt haben
Sie bereits ein Kind bekommen haben, das bei seiner Geburt über 4.500 Gramm wog
Sie bereits mehr als 3 Fehlgeburten hintereinander oder eine Totgeburt erleiden mussten
eines Ihrer Kinder in einer vorangegangenen Schwangerschaft Fehlbildungen hatte
Sie asiatischer Herkunft sind
Entwickelt eine Schwangere Gestationsdiabetes, bemerkt sie dies meist erst einmal nicht, da keine Symptome auftreten. Klassische Diabetes-Symptome wie großer Durst oder anhaltende Müdigkeit zeigen sich meist nicht gleich zu Beginn der Erkrankung und wenn sie auftreten, werden sie meist nicht damit in Verbindung gebracht. Wird Schwangerschaftsdiabetes nicht rechtzeitig erkannt, hat das Folgen für Mutter und Kind.
zusätzliche Entwicklung von Bluthochdruck in der Schwangerschaft und vermehrte Ausscheidung von Eiweiß im Urin (medizinisch: Präeklampsie oder Gestose)
häufigere Harnwegsinfekte
das Risiko für Geburtskomplikationen ist höher, das Baby muss eher per Kaiserschnitt entbunden werden
erhöhtes Risiko, später an Typ-2-Diabetes zu erkranken
da mehr Zucker über die Nabelschnur von der Mutter zum Kind gelangt, produziert das Baby verstärkt Insulin. Dadurch kann das Ungeborene übermäßig und auf ungesunde Weise wachsen. Dieses betrifft vor allem den Körperstamm, also Bauch, Brustkorb und die Schulterregion
höheres Risiko für Geburtskomplikationen, vor allem für eine Kaiserschnitt-Entbindung
direkt nach der Geburt kann es eventuell zu Anpassungsproblemen und Unterzuckerungen kommen
höheres Risiko, später selbst Diabetes zu entwickeln
höheres Risiko für späteres Übergewicht
Diese für Mutter und Kind negativen Verläufe können durch eine frühzeitige Diagnose und eine strikte Therapie der schwangeren Frauen mit regelmäßigen ärztlichen Kontrollen vermieden werden.
Da sich ein Gestationsdiabetes zumeist in der 2. Schwangerschaftshälfte entwickelt, ist ein Zucker-Belastungstest (oraler Glukose-Toleranztest, kurz oGTT) zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche für jede werdende Mutter vorgesehen und entspricht den neusten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Österreich wurde dieser Vorsorgetermin bereits 2010 in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen. Schwangere mit hohem Risiko für Gestationsdiabetes sollten den Test jedoch bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche durchführen lassen.
Die Schwangere kommt morgens nüchtern in die Praxis ihres Gynäkologen, also ohne Nahrungsaufnahme ab 22 Uhr des Vorabends. An den 3 vorangegangenen Tagen sollte die Frau mehr als 150 Gramm Kohlenhydrate pro Tag zu sich genommen haben, um ein aussagekräftiges Ergebnis des Tests zu erhalten. Über eine venöse Blutentnahme wird zuerst der Nüchternblutzucker bestimmt. Dann trinkt die Schwangere ein Glas Wasser mit 75 Gramm Glukose. Eine und 2 Stunden danach wird der Blutzucker erneut per Blutentnahme bestimmt.
Gestationsdiabetes besteht, wenn der Nüchtern-Blutzuckerwert über 91 Milligramm pro Deziliter Blut (mg/dl) liegt, der Wert eine Stunde nach dem Trinken der Zuckerlösung (1-Stunden-Wert) über 179 mg/dl und nach 2 Stunden über 152 mg/dl liegt. Mithilfe des oGTT kann ein Schwangerschaftsdiabetes sicher festgestellt werden.
Schwangerschaftsdiabetes ist sehr gut zu behandeln: Bei 80% der betroffenen Frauen führt eine Ernährungsumstellung in Verbindung mit regelmäßiger Bewegung (z.B. mindestens 3-mal in der Woche einen straffen Spaziergang von 30 Minuten oder Gymnastik) zu normalen Blutzuckerwerten. Nur in etwa 30% aller Fälle muss eine betroffene Schwangere eine Insulintherapie beginnen.
Für die Ernährungsumstellung sollte sich die Frau von Experten beraten lassen, um sicher zu gehen, dass es ihr und dem ungeborenen Kind an nichts fehlt. So muss sie z.B. nicht gänzlich auf Kohlenhydrate verzichten, sondern nur auf solche mit hohem Glykämischen Index (GI). Einen niedrigen GI haben Vollkornprodukte, fettarme Milchprodukte sowie viele Obst- und Gemüsesorten. Zum Durstlöschen sollte Wasser statt zuckerhaltiger (Fruchtsaft-)Getränke oder Softdrinks getrunken werden.
Außerdem natürlich wichtig: Den Blutzucker regelmäßig selbst kontrollieren. Dazu erhalten betroffene Schwangere ein Blutzucker-Messgerät. Der Arzt oder ein Diabetesberater wird der Frau genau erklären, wie sie den Blutzucker damit bestimmt und wie oft sie dies machen sollte. Normalerweise wird die Blutzucker-Messungen vor dem Frühstück und jeweils 1 Stunde nach Beginn der 3 Hauptmahlzeiten durchgeführt. In einem Blutzucker-Tagebuch sollten die Werte, die aufgenommenen Nahrungsmittel sowie sportliche Aktivität und eventuell noch anderes (z.B. Stress) dokumentiert werden. So sieht der Arzt beim Kontrolltermin, wie es der Schwangeren mit ihrem Diabetes-Selbstmanagement geht und ob die gewählte Therapie ausreicht, um Mutter und Kind vor Komplikationen zu schützen. Sind alle Werte im Zielbereich (morgens nüchtern unter 95 mg/dl und 1 Stunde nach Beginn einer Hauptmahlzeit unter 140 mg/dl), kann eine Blutzucker-Messung am Tag im weiteren Schwangerschaftsverlauf ausreichend sein (im Sinne eines individualisierten Patientinnen-orientierten Managements).
Liegen die Werte trotz Ernährungsumstellung und ausreichend Bewegung nicht im Zielbereich oder das Kind wächst unnatürlich schnell, wird eine Insulin-Therapie erforderlich, um Risiken abzumildern. Die betroffene Frau muss sich dann bis zur Geburt das Hormon Insulin selbst unter die Haut spritzen. Wie das genau geht und welche Hilfsmittel es dazu heute gibt, wird ein Diabetesberater der Schwangeren beibringen. Zum Insulin gibt es übrigens keine Alternative: Tabletten gegen Diabetes sind für Schwangere nicht zugelassen. Bei Übergewicht und ausgeprägter Insulinresistenz kann unterstützend zusätzlich auch eine Therapie mit Metformin-Tabletten angedacht werden.
Schulungen: Um die Ernährungsempfehlungen und/oder die Insulin-Therapie sicher umsetzen zu können, nehmen betroffene Frauen am besten an einer Schulung für Schwangere mit Gestationsdiabetes teil.
Kontrolltermine beim Arzt: Auch regelmäßige Kontrolltermine beim Arzt sollten wahrgenommen werden. Zwar verschwindet Gestationsdiabetes zumeist unmittelbar nach der Geburt oder spätestens im Wochenbett, dennoch tragen Frauen hinterher ein höheres Risiko, Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Deshalb ist es optimal, nach der Schwangerschaft an einer Nachsorge zur Diabetesvorbeugung teilzunehmen.
Sicherheit für das Neugeborene: Da das Risiko für Geburtskomplikationen erhöht ist, sollten sich Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes über Kliniken mit angeschlossenem Kinderspital informieren. Das Baby sollte möglichst gestillt werden, um das Risiko für Übergewicht in seinem späteren Leben zu reduzieren.
Um das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes von vornherein zu senken, sollten übergewichtige Frauen, die eine Schwangerschaft planen, schon im Vorfeld abnehmen. Alle Frauen sollten darauf achten, während der Schwangerschaft nicht übermäßig zuzunehmen. Als normale Gewichtszunahme gilt:
ZEITRAUM | GEWICHTSZUNAHME |
---|---|
12.-13. Schwangerschaftswoche | 0,5 - 2 kg |
Ab der 14. Schwangerschaftswoche | 0,2 - 0,5 kg/pro Woche |
Da auch das Ausgangsgewicht der Frau vor der Schwangerschaft bei der Berechnung der erlaubten Gewichtszunahme berücksichtigt werden muss, wird der Arzt die anzustrebenden Werte mit der Schwangeren besprechen.