Herzklappenerkrankungen

Mann greift sich ans Herz.
Starkes Brennen in der Brust kann auch ein deutliches Alarmsignal für eine Herzklappenerkrankung sein.
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Die Herzklappen sorgen dafür, dass das Blut nur in eine Richtung fließt. Bei einer Herzklappenerkrankung sind eine oder mehrere von insgesamt 4 Herzklappen entweder verengt, verkalkt oder undicht.

Medizinische Expertise

Hermann Blessberger

OA Dr. Hermann Blessberger

Facharzt für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin
Krankenhausstraße 7a, 4020 Linz
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Der normale Blutfluss wird behindert, wodurch die Leistungsfähigkeit des Herzens mit der Zeit stark eingeschränkt werden kann – es ist nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Herzklappenerkrankungen sind nur selten angeboren, in den meisten Fällen gelten altersbedingte Veränderungen als Ursache. Erste Symptome sind Atemnot, Kollapszustände oder Brennen auf der Brust bei körperlicher Belastung.

Der überwiegende Teil der Herzklappenerkrankungen tritt im Erwachsenenalter auf und gilt als eine im Lauf des Lebens erworbene Erkrankung. Die Häufigkeit von Klappenerkrankungen steigt mit dem Alter deutlich an: Bei 55-Jährigen liegt sie bei rund 2 %, bei den über 75-Jährigen sind bereits 13 % betroffen. Männer erkranken 3 Mal häufiger als Frauen an defekten Herzklappen.

Video: Meine Herzklappe funktioniert nicht: Was nun?

OA Dr. Paul Vock, MSc (Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Baden) erklärt die Anatomie des Herzens und spricht über Therapiemöglichkeiten bei undichter Herzklappe (Insuffizienz) sowie verkalkter bzw. verengter Herzklappe (Stenose). (Webinar, 7.12.2020)

Das menschliche Herz ist ungefähr so groß wie eine Faust und wiegt bei erwachsenen Menschen rund 300 Gramm. Es besteht aus 2 Herzkammern und 2 Herzvorhöfen. Die Kammern des Herzens werden über 2 Herzklappen mit Blut gefüllt und über 2 andere Herzklappen entleert. Wenn eine oder mehrere dieser 4 Herzklappen verkalkt, verengt oder undicht sind, wird der Blutfluss durch das Herz blockiert, es gelangt nicht genug Blut mit Sauerstoff und Nährstoffen in den Körper und eine langfristige Schädigung des Herzens kann – ohne Behandlung – die Folge sein.

Anatomie des Herzens
© lom123 / Fotolia

Grundsätzlich unterscheidet man 2 Arten von Herzklappenerkrankungen:

  • Klappenstenose: In diesem Fall ist die Öffnung der Klappen durch Verengungen oder Verkalkungen beeinträchtigt, das Blut staut sich vor der Klappe und muss mit erhöhtem Druck durch die Verengung gepumpt werden.
  • Klappeninsuffizienz: Die Klappen schließen nicht mehr richtig, sodass das Blut aus der Kammer zurück in den Vorhof oder aus der Schlagader zurück in die Kammer fließt.

Dabei kommt eine Verengung der Aortenklappe am häufigsten vor, gefolgt von einer Undichtheit der Mitralklappe. Beide Erkrankungen – Stenose (Verengung) und Insuffizienz (Undichtheit) – führen aber unabhängig von Mitral- oder Aortenklappe dazu, dass das Herz nicht mehr so effektiv arbeiten kann wie es soll und sich im Verlauf der Erkrankung eine lebensgefährliche Herzschwäche entwickelt.

Ursachen für Herzklappenerkrankungen sind in den meisten Fällen degenerative, also altersbedingte Veränderungen im Lauf des Lebens. Nur in 10 % der Fälle sind defekte Herzklappen angeboren oder Ursache von Fehlstellungen, die zu schnellerer Abnutzung führen. Akut können Herzklappenerkrankungen als Folge eines Herzinfarktes oder einer Herzklappenentzündung auftreten und – sehr selten – als Folge schlecht oder gar nicht behandelter Mandelentzündungen durch Streptokokken oder durch Herzmuskelinfektionen.

Wenn die Herzklappenfunktionen über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt sind, führt das zu einer Pumpeinschränkung des Herzmuskels und einer Überlastung des Herzens. Bei der Insuffizienz durch ein erhöhtes Volumen, bei der Stenose durch den hohen Druck, den das Herz überwinden muss.

Symptome für Herzklappenerkrankungen entwickeln sich in den meisten Fällen schleichend und verschlimmern sich erst im Verlauf der Erkrankung. Sie sind in ihrem Erscheinungsbild auch stark davon abhängig, ob eine oder mehrere Herzklappen geschädigt sind und welche.

Die häufigsten Symptome sind:

SYMPTOME EINER HERZKLAPPENINSUFFIZIENZ SYMPTOME EINER HERZKLAPPENSTENOSE
  • Starke Atemnot und Kurzatmigkeit bei körperlicher Aktivität
  • Eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit
  • Schwindel- und Schwächeanfälle
  • Kollapszustände
  • Herzrhythmusstörungen
  • Wasseransammlung in den Beinen Appetitlosigkeit
  • Übelkeit/Erbrechen
  • Gerötete Wangen bei gleichzeitig blauen Lippen
  • Starker Schwindel
  • Ermüdung bis hin zur Bewusstlosigkeit bei Überanstrengung
  • Brennen auf der Brust und Druckgefühl im Brustkorb bei Anstrengung oder beim Einatmen kalter Luft
  • Unregelmäßiger Herzschlag
  • Vorhofflimmern
  • Starke Atemnot und Kurzatmigkeit bei körperlicher Aktivität
  • Eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit

Mit Ausnahme der herzinfarktbedingten Klappenfehlfunktionen entwickeln sich Schäden an den Herzklappen fast immer schleichend. Das Herz ist aber kontinuierlich einer zunehmenden Belastung ausgesetzt, an die es sich bis zu einem gewissen Punkt anpassen kann. Zunächst treten Beschwerden nur bei körperlicher Aktivität auf, später auch in Ruhe.

Eine Herzultraschalluntersuchung ist die Screeningmethode der Wahl zum Nachweis einer Herzklappenerkrankung.

Der behandelnde Arzt führt bei Verdacht auf Herzklappenerkrankung gewöhnlich zuerst eine körperliche Untersuchung durch, bei der er Schwerpunkte auf das Abhören von Herz und Lunge legt. Veränderte Herztöne können ein erster Hinweis auf Herzklappenerkrankungen sein, durch einen Ultraschall (Echokardiographie) kann dieser Verdacht widerlegt oder bestätigt werden.

Die Ultraschalluntersuchung kommt in jedem Fall bei veränderten Tönen zum Einsatz, auch ohne Auftreten von Begleitsymptomen. Bei der Ultraschalluntersuchung kann sich der behandelnde Arzt ein Bild über die Größe der Herzkammern, die Beschaffenheit der Herzmuskeln und die Herzleistung allgemein machen und bekommt dadurch erste Hinweise darauf, wie fortgeschritten die Herzklappenerkrankung ist und ob es bereits zu Schädigungen des Herzens gekommen ist.

Vertiefende Diagnosemöglichkeiten sind

  • Röntgenuntersuchung: Dabei werden Wasseransammlungen in der Lunge und Herzvergrößerungen überprüft
  • Magnetresonanztherapie: Eine MRT dient der Beurteilung der Klappenfunktion und Vitalität der Herzmuskulatur
  • Herzkatheterisierung: Eine Herzkatheter-Untersuchung gibt genauen Aufschluss darüber, ob und in welchem Ausmaß das Herz durch die Herzklappenerkrankung geschädigt ist, Druckverhältnisse und Förderleistung des Herzens können überprüft und bei Bedarf die Beschaffenheit der Herzkranzgefäße untersucht werden

Im Frühstadium einer Herzklappenerkrankung ist eine medikamentöse Therapie zur Stärkung des Herzmuskels neben den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen mittels Herzultraschall sinnvoll. Letztere helfen, den Zeitpunkt der Klappenreparatur beziehungsweise des Klappenersatzes genau zu planen.

Um der Entwicklung einer Herzschwäche vorzubeugen, wird mehr als 70 % der betroffenen Patienten im Verlauf der Erkrankung eine Herzklappenoperation empfohlen. Dabei kommen 2 Möglichkeiten in Frage, die Herzklappenrekonstruktion und der Herzklappenersatz/künstliche Herzklappe. Eine neuartige Alternative ist das Clip-System, bei dem die Herzklappe mittels Katheter ersetzt wird.

Durchschnittlich beträgt die Verweildauer auf der Intensivstation nach einer Herzklappenoperation 2 bis 3 Tage. Sofort nach Entfernung der Wunddrainagen beginnt die gerinnungshemmende Therapie und die Patienten können das Krankenhaus innerhalb von 1 bis 2 Wochen verlassen, um auf einer abschließenden Kur medikamentös eingestellt und auf das Leben mit einer neuen Herzklappe vorbereitet zu werden. In der Regel führen Menschen mit einer rekonstruierten oder neuen Herzklappe ein beschwerdefreies Leben, das sie wieder aktiv am Leben teilhaben lässt.


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Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

6. Mai 2019

Erstellt am:

28. November 2014

Stand der medizinischen Information:

6. Mai 2019

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