Allergenspezifische Immuntherapie (AIT, Allergieimpfung, Hyposensibilisierung)

Arzt bereitet Spritze für Spezifische Immuntherapie vor.
Die Impfung als Methode der spezifischen Immuntherapie hemmt die Produktion von Antikörpern gegen die Allergene.
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Mit der spezifischen Immuntherapie werden Allergien ursächlich behandelt. Sie kommt vor allem bei Allergien gegen Pollen, Hausstaubmilben und Insektengift zum Einsatz.

Medizinische Expertise

Ulli Enzenberg

Dr.in Ulli Enzenberg

Ärztin für Allgemeinmedizin und Allergologie
Gartendirektorstöckl, Schloss Schönbrunn, 1130 Wien
www.gesundinschoenbrunn.at
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Die allergenspezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) ist die einzige Behandlungsform, die auf die Ursache der Allergie einwirkt. Sie kann die Bereitschaft des Körpers, auf einen bestimmten Auslöser allergisch zu reagieren, herabsetzen. Die Hyposensibilisierung wird in Form von Spritzen, Tropfen oder Tabletten verabreicht. Durch wiederholten, kontrollierten Kontakt mit dem jeweiligen Allergen beginnt der Körper im Laufe der Behandlung, das Allergen zu tolerieren. Dadurch kann häufig auch die Entstehung von Asthma bronchiale verhindert werden.

  • Die spezifische Immuntherapie bekämpft die Ursache einer Allergie.
  • Sie wird auch als Hyposensibilisierung bezeichnet.
  • Die Behandlung zeigt vor allem bei Patienten mit Insektengift-, Pollen- und Hausstaubmilbenallergie sehr gute Ergebnisse.
  • Die spezifische Immuntherapie kann auf zwei Arten erfolgen: subkutan in Form einer Injektion unter die Haut (SCIT) oder sublingual in Form von Tabletten oder Tropfen (SLIT).

Bei der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT) wird auf die Allergie-Ursache eingewirkt. Dabei werden dem Körper jene Stoffe, die die Allergie auslösen, in kleinen Mengen verabreicht, bis er sich daran gewöhnt hat, also wesentlich weniger sensibilisiert ist. Deshalb wird die spezifische Immuntherapie auch Hyposensibilisierung (früher auch Desensibilisierung) genannt.

Die Immuntherapie zielt darauf ab, die Überreaktion des Immunsystems auf den spezifischen Auslöser (Allergen) zu stoppen bzw. zu vermindern. Der Körper entwickelt eine sogenannte immunologische Toleranz. Diese Toleranz hält in der Regel auch nach Therapieende viele weitere Jahre an. Die AIT (Allergenspezifische Immuntherapie) wird auf unterschiedliche Weise für drei bis maximal fünf Jahre verabreicht:

  • SCIT (subkutane Immuntherapie): Dabei wird das Allergen, auf das der Körper überreagiert, von einem Arzt unter die Haut (subkutan) gespritzt. Die Dosis wird im Laufe der Therapie gesteigert. Nach Erreichen der notwendigen Dosis wird die Behandlung in regelmäßigen Abständen fortgeführt. Die Allergieimpfung kann ganzjährig erfolgen, wobei die Spritze alle vier bis sechs Wochen verabreicht wird. Diese Variante kommt vor allem bei Allergien gegen Hausstaubmilben und Insektengift, seltener bei Pollenallergie zum Einsatz. Alternativ wird die SCIT präsaisonal durchgeführt, also vor dem Beginn der Pollensaison. Hierbei werden die Spritzen in ein- bis vierwöchigen Abständen verabreicht und während der Pollensaison ausgesetzt.
  • SLIT (sublinguale Immuntherapie): Dabei wird das Allergen in Form von Tropfen, Sprays oder Tabletten in der Regel täglich unter die Zunge verabreicht. Die Substanz gelangt über die Mundschleimhaut in den Körper. Der Vorteil: Die Behandlung kann zuhause durchgeführt werden, allerdings tritt vor allem in der Anfangsphase deutlicher Juckreiz im Mund auf. Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind unbedingt erforderlich.

Die allergenspezifische Immuntherapie greift in einen immunologischen Prozess ein. Eine Allergie entsteht durch eine überschießende Immunreaktion auf nicht krankmachendes, körperfremdes Eiweiß. Die "Wächter" im Immunsystem, die T-Lymphozyten und die B-Lymphozyten, signalisieren "Abwehr", denn sie glauben, einen Fremdkörper abwehren zu müssen und schütten unter anderem den Botenstoff Interleukin 4 aus. In der Folge wird eine große Menge an Antikörpern (das Immunglobulin E, kurz: IgE) produziert. Diese IgE-Antikörper gelangen über den Blutstrom zu den Mastzellen in der Haut und in den Schleimhäuten.

Nach dem Kontakt mit dem Allergen kommt es zur Freisetzung von Histamin aus der Mastzelle und damit zu den typischen Symptomen wie Rötungen, Quaddeln, Juckreiz und Sekretproduktion. Ziel der spezifischen Immuntherapie ist es nun, einen bestimmten Typ der T-Lymphozyten (TH2) an ihrer Aktivität zu hindern. Damit wird auch die Produktion von IgE-Antikörpern blockiert. Gleichzeitig werden im Zuge der Immunisierung andere T-Lymphozyten (TH1) aktiviert, die eine "natürliche" Immunantwort wieder herstellen.

Die spezifische Immuntherapie ist bei folgenden Allergien möglich:

  • Pollenallergie (Heuschnupfen)
  • Hausstaubmilbenallergie
  • Schimmelpilzallergie
  • Insektengiftallergie
  • Tierhaarallergie

Prinzipiell kann die spezifische Immuntherapie für jeden Allergiker sinnvoll sein. Patienten mit Insektengift-, Pollen- und Hausstaubmilbenallergie sprechen besonders gut darauf an. Da die Therapie aber Konsequenz erfordert und mit einem relativ hohen Zeitaufwand verbunden ist, sollte ein Für und Wider abgewogen werden. Die Behandlung empfiehlt sich besonders in folgenden Fällen:

  • Starke Allergie-Symptome: Niesen, Schnupfen, verstopfte Nase, brennende Augen, Asthma und Atembeschwerden beeinträchtigen den Alltag und den Gesundheitszustand. Die ständige Verwendung von Antihistamin-Tabletten ist nötig oder es besteht eine starke Einschränkung in Arbeit und Freizeit.
  • Symptome werden stärker: Wenn die Beschwerden länger als drei Wochen andauern bzw. von Jahr zu Jahr stärker werden.
  • Gefährliche Allergien: Bei einer Insektengiftallergie besteht das Risiko eines Kreislaufschocks (Anaphylaktischer Schock). Durch die spezifische Immuntherapie soll die Toleranz gegen das Allergen erzwungen werden.
  • Atopisches Ekzem (Neurodermitis): Die Neurodermitis (oft juckender, geröteter Hautausschlag) verschlimmert sich in der Pollensaison deutlich.

Die Erfolgsquote der allergenspezifischen Immuntherapie ist gut. Bei etwa 90 % der Betroffenen verringern sich die Symptome deutlich. Am besten reagieren Kinder und Jugendliche auf die Hyposensibilisierung. Die Therapie ist ab dem fünften Lebensjahr möglich.

Wie bei jeder Behandlung können auch bei der AIT Nebenwirkungen auftreten.


Nebenwirkungen bei SCIT

Meist handelt es sich um leichte Reaktionen, wie Hautrötungen und Juckreiz an der Einstichstelle. Schwere Nebenwirkungen bis zu einem anaphylaktischen Schockzustand sind extrem selten und meist auf mehrere Einflussfaktoren (falsche Injektionstechnik, andere Erkrankung des Patienten) zurückzuführen. Dennoch müssen alle Patienten nach der Allergieimpfung etwa 30 Minuten unter Beobachtung bleiben, damit im Notfall rasch gehandelt werden kann.

Nebenwirkungen bei SLIT

Bei der SLIT kann es zu lokalen Symptomen wie Jucken oder Brennen im Mund- und Rachenraum kommen. Auch Reizungen im Magen-Darm-Bereich sind möglich. Bei zunehmenden Lokalsymptomen oder Atembeschwerden muss ein Arzt aufgesucht werden.

Bei bestimmten Vorerkrankungen oder Lebensumständen sollte insbesondere von einer SCIT abgesehen werden. Dazu zählen:

  • nicht oder nur teilweise kontrolliertes Asthma
  • Herz- und/oder Kreislauferkrankungen mit erhöhtem Risiko bei Adrenalingabe (Ausnahme: Insektengiftallergie, hier muss eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung stattfinden)
  • schwere Autoimmunerkrankungen
  • Tumorerkrankungen
  • Komplikationen (wie anaphylaktischer Schock) bei vorangegangenen Immuntherapien
  • regelmäßige Therapie ist nicht möglich

Die allergenspezifische Immuntherapie wird in Allergieambulatorien, Spitalsambulanzen, vielfach auch von HNO-Ärzten, Kinderärzten, Internisten, Dermatologen, Lungenfachärzten und Allgemeinmedizinern durchgeführt.

Pro Impfzyklus können in der Regel ein bis zwei Allergien gleichzeitig behandelt werden. Deshalb sollte bei mehreren Allergien jene (zuerst) therapiert werden, die die stärksten Symptome oder den längsten Belastungszeitraum mit sich bringt. Ein vom Betroffenen geführter Symptomkalender kann bei der Entscheidung unterstützen. Sind der PRICK-Test, Blut-Test (Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper) und das Auftreten der Symptome bezüglich der Allergie-Auslöser eindeutig, kann eine Immuntherapie durchgeführt werden.

Wann der beste Zeitpunkt für einen Therapie-Start ist, zeigt diese Tabelle:

Allergen Beginn der Belastung Therapiestart
Bäume (Birke, Esche) Februar, März Oktober, November oder ganzjährig
Gräser Mai Jänner oder ganzjährig
Hausstaubmilben, Insektengift, Tiere (Katze, Hund), Schimmelpilze ganzjährig ganzjährig

Es gibt mehrere Faktoren, die den Erfolg der spezifischen Immuntherapie unter anderem beeinflussen:

  • Dauer des Bestehens der Allergie
  • Stärke der Allergie
  • Anzahl der Allergien
  • Alter des Patienten
  • Therapietreue: Eine regelmäßige Einnahme bzw. Einhaltung der empfohlenen Impfabstände ist die Basis für den Erfolg der Therapie.

Möglich ist eine deutliche Verbesserung oder sogar ein Verschwinden der Symptomatik. Selbst wenn die Allergie sehr stark war und der Betroffene danach nicht völlig beschwerdefrei ist, sind meist weniger Medikamente (wie z.B. Antihistaminika) während der Pollensaison nötig. Wesentlich und bewiesen ist der präventive Effekt auf die Entwicklung einer Asthmaerkrankung.

Kommt es nach Beendigung der Therapie wieder zu einer starken Zunahme der Symptome, kann nach etwa zehn Jahren die spezifische Immuntherapie erneut durchgeführt werden. Für Menschen mit bestimmten Erkrankungen, wie z. B. einer Mastozytose, kann die Immuntherapie lebenslang erforderlich sein.

Die Kosten für die spezifische Immuntherapie (SCIT und SLIT) wird von den Krankenversicherungsträgern übernommen.


Autor:innen:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

5. April 2022

Erstellt am:

27. Februar 2014

Stand der medizinischen Information:

5. April 2022

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