Die männliche Psyche leidet still

Mann sieht nachdenklich aus dem Fenster.
Viele betroffene Männer versuchen, psychische Probleme möglichst lange vor ihrem Umfeld zu verbergen.
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Die Diagnose Depression wird bei Männern weitaus seltener gestellt als bei Frauen – dafür sterben Männer dreieinhalb Mal häufiger an einem Suizid.

Medizinische Expertise

Michael Musalek

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek

Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Ärztlicher Direktor des Anton Proksch Instituts
Karl-Schweighofer-Gasse 8, 1070 Wien
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Das Suizidrisiko erhöht sich bei Vorliegen einer Depression etwa um das 20-Fache, und zumindest jeder zweite Freitod steht mit einer depressiven Störung in Verbindung, wie der aktuelle Gender-Gesundheitsbericht mit dem Schwerpunkt "Psychische Gesundheit" aufzeigt. "Männer haben ein schlechteres Gesundheitsbewusstsein und gehen seltener zum Arzt. Sie neigen dazu, körperliche Symptome vorzuschieben, und so wird die zugrundeliegende Depression oft übersehen", warnt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, Ärztlicher Direktor des Anton Proksch Instituts.

Laut Prof. Musalek ist die Depression durch ein "Losigkeitssyndrom" charakterisiert, wozu unter anderem Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Aussichtslosigkeit zählen. Bei Männern wirkt sich sowohl eine Sucht als auch arbeitsbezogener Stress negativer auf die Psyche aus als bei Frauen. Der (drohende) Verlust des Arbeitsplatzes gefährdet ebenso die Intaktheit der männlichen Psyche, da sich Männer mehr als Frauen durch ihre berufliche Rolle definieren. Arbeitslosigkeit begünstigt wiederum die Entstehung einer Alkoholsucht.

"Burn-out ist ein Prozess, der durch eine hohe Arbeitsbelastung ausgelöst werden kann und aus einer Konstellation von Erschöpfung, Entfremdung gegenüber der Arbeit, den Kollegen und sich selbst sowie aus einer Leistungsreduktion besteht", erläutert Prof. Musalek. Er schlägt eine Einteilung des Burn-out in drei Stadien vor:

  • Stadium I – "Problemstadium": Überlastung und Überforderung, die einem selbst noch nicht bewusst ist; Kompensation durch verstärkten Arbeitsaufwand und verminderte Ruhezeiten/Freizeitaktivitäten; erhöhte Reizbarkeit; erste körperliche Reaktionen wie Herzfrequenzerhöhungen, Blutdruckerhöhungen, Schwitzen
  • Stadium II – "Übergangsstadium": bereits bewusste arbeitsbedingte Überlastung und Überforderung; völlige Konzentration auf die Arbeit und sozialer Rückzug; innere Unruhe, Ängste, Schlafstörungen; körperliche Probleme, z. B. in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System, das Verdauungssystem, die Haut oder den Bewegungsapparat; erhöhte Gereiztheit
  • Stadium III – "Erkrankungsstadium": totale Erschöpfung und völliges "Ausgebranntsein"; Arbeitsunfähigkeit; völliger sozialer Rückzug mit zunehmenden sozialen Ängsten; chronische Schmerzsyndrome, massive Schlafstörungen, manifeste körperliche Erkrankungen; krankheitswertige traurige Stimmungslage, die in eine ausgeprägte Depression münden kann

Männer suchen bei den in den ersten beiden Stadien auftretenden Reaktionen und körperlichen Störungen zumeist nicht Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater auf, sondern praktische Ärzte oder Internisten – die jedoch in vielen Fällen keine klare Diagnose stellen können, da es keine organische Grundlage für die Beschwerden gibt.

Neben den Risikofaktoren, welche die männliche Psyche beeinträchtigen können, gibt es aber auch einige Schutzfaktoren. Bei Männern sind dies vor allem Berufstätigkeit und eine stabile Partnerschaft bzw. familiäre Situation.

  • Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz: Gender-Gesundheitsbericht - Schwerpunkt Psychische Gesundheit am Beispiel Depression und Suizid, 06/2018.
  • Musalek M, Zeidler R, Spectrum Psychiatrie 4/2013: 43-48.

Medizinisches Review:
Erstellt am:

6. November 2018

Stand der medizinischen Information:

6. November 2018

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