Nur selten fallen Menschen mit Asperger-Syndrom durch eine "Inselbegabung" auf, die sie zu "kleinen Professoren" macht. Menschen mit Asperger-Syndrom haben oft sehr spezielle Interessen, sie sind daher "anders" als andere. Schätzungen zufolge sind etwa 0,5 bis 2 % aller Menschen von dieser Form des Autismus betroffen. Unbehandelt führt das Asperger-Syndrom bei Erwachsenen häufig zu massiven psychischen Belastungen. Die häufigsten tiefgreifenden autistischen Entwicklungsstörungen sind neben dem Asperger-Syndrom z.B. frühkindlicher Autismus.
Untersuchungen zeigen, dass von 10.000 Kindern etwa 2 bis 3 vom Asperger-Syndrom betroffen sind, das Verhältnis zwischen Buben und Mädchen liegt bei 8:1. Der geringere Anteil von Frauen mit Asperger-Syndrom liegt möglicherweise daran, dass Frauen ihre Defizite eher "überspielen" können und die Störung bei ihnen daher nicht diagnostiziert wird. Frauen werden generell viel stärker in sozialen Fähigkeiten trainiert. Deswegen können Frauen mit Asperger-Syndrom die sozialen Defizite meist besser kompensieren.
Der aktuellen Studienlage zufolge ist eine genetische Komponente für die Entstehung eines Asperger-Syndroms wahrscheinlich. Genaue Untersuchungen fehlen bislang noch.
Das Asperger-Syndrom ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung und zählt zur Gruppe der autistischen Störungen. Durch eine vermutlich genetisch bedingte Fehlsteuerung – dies wird gegenwärtig von Forschern diskutiert – verbinden sich neuronale Netzwerke in den ersten Lebensjahren unzureichend. Das führt dazu, dass bei Betroffenen die Informationsverarbeitung von Außenreizen anders erfolgt als bei Nicht-Aspergern. Studien haben nachgewiesen, dass autistische Menschen Abweichungen in den Hirnfunktionen aufweisen, wie im frontalen Cortex, der Amygdala (Mandelkern) und in den Basalganglien (Kerne unter der Großhirnrinde). Nachgewiesen wurde beispielsweise, dass Asperger-Betroffene häufig Schwierigkeiten haben, Gesichter zu erkennen. Sie haben einen anderen Blickverlauf als Nicht-Asperger. Abstraktes, Sprache oder Objekte werden jedoch überdurchschnittlich gut abgespeichert. Ursache ist eine viel stärkere Wahrnehmung von Details und schlechte Kohärenzleistung: das "große Gesamtbild" wird nicht hergestellt.
Bisher galt es als schwierig, ein Asperger-Syndrom von Autismus abzugrenzen. Bei beiden handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die dem autistischen Spektrum angehört. Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus wird das Asperger-Syndrom meist erst nach dem 3. Lebensjahr diagnostiziert, da ein wesentliches Merkmal der Beeinträchtigung eine gute Sprachentwicklung ist und daher zunächst keinen Verdacht auf ein Asperger-Syndrom aufkommen lässt.
Menschen mit Asperger-Syndrom sind in ihrer Entwicklung bis zum 3. Lebensjahr meist unauffällig, sie haben durchwegs eine normale, manchmal hohe Intelligenz, können aber dennoch schlechte Schüler sein. Da sie sehr stark mit sich selbst und ihrer Innenwelt beschäftigen, zeigen sie häufig eine Aufmerksamkeitsstörung. Diese und die Hyperaktivitätsstörung sind die häufigsten Symptome im Kindes- und Jugendalter. Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist die Depression eine der häufigsten Begleiterscheinungen des Asperger-Syndroms.
Diese Symptome können Hinweise auf ein Asperger-Syndrom sein:
Kinder mit Asperger-Syndrom entwickeln häufig im Schulalter Verhaltensauffälligkeiten, verstoßen gegen soziale Regeln und bleiben oft "Einzelgänger" mit speziellen Interessen. Im Jugend- und Erwachsenenalter kann dieses Verhalten kompensiert werden, doch bleiben Menschen mit Asperger-Syndrom für die Umwelt "irgendwie anders als die anderen". Sie entwickeln sich zu schwierigen, mitunter exzentrischen Persönlichkeiten, die manchmal auch zu intellektuellen Höchstleistungen fähig sind. Die Sozialkompetenz wird jedoch nicht weiter entwickelt, der Betroffene ist emotional distanziert, wenig sozial und in der Kommunikation gehemmt. Im Erwachsenenalter können Depression, Angststörungen oder Zwänge hinzukommen, um den sozialen Stress auszugleichen. Dieser entsteht, weil der Betroffene nicht fähig ist, soziale Regeln anzuwenden, selbst wenn er um sie weiß.
Verhaltensauffälligkeiten, sozialer Rückzug, hervorragende sprachliche und intellektuelle Fähigkeiten sind Merkmale, die hoch intelligente, erwachsene Asperger-Betroffene zeigen. Gelingt z.B. ein Kompensieren der sozialen Verhaltensdefizite (Kontaktschwierigkeiten), bleiben Sprache und Verhalten jedoch nach wie vor auffällig (z.B. extrem gewählte Sprache, eigenartige Gesten). Weniger "sprachbegabte" Asperger-Betroffene kompensieren ihre sprachlichen Defizite häufig mit starkem Rückzug oder dem Entwickeln von Zwängen.
Asperger-Menschen mit intellektuellen Defiziten haben Probleme in Motorik und Wahrnehmung. Sie neigen häufig zu aggressivem Verhalten, das auch gegen sie selbst gerichtet sein kann.
Unbehandelt führt das Asperger-Syndrom bei Erwachsenen häufig zu massiven psychischen Belastungen. Vielen hoch intelligenten Asperger-Menschen ist nicht bewusst, dass sie – aufgrund ihres emotionalen Defizits – mit unempathischen Bemerkungen andere verletzen können, sie wissen mitunter darum, verstehen dies aber nicht, da sie selbst emotional nicht zugänglich sind. Im Sozialverhalten entsteht für viele Betroffene ein Leidensdruck aufgrund der Schwierigkeit, soziale Kontakte einzugehen, einer Gruppe anzugehören. Sie verstehen nicht, wenn sie durch Verhaltensauffälligkeiten andere Menschen irritieren und fühlen sich daher rasch ausgegrenzt oder abgelehnt. Sie wissen um soziale Regeln, können sie aber nicht umsetzen.
Ein Asperger-Syndrom stellt der Facharzt anhand spezieller Diagnosekriterien, die von Fachgesellschaften erstellt wurden (ICD-10 und DMS-5). Die häufigsten Merkmale der Entwicklungsstörung sind:
Eine rasche Sprachentwicklung, schon im 2. Lebensjahr können Kinder mitunter bestimmte Begriffe aussprechen und sinnvoll zuordnen. Erwachsene pflegen eine gehobene, fast künstlich wirkende Sprache.
Die Sprachentwicklung ist bis zum 3. Lebensjahr normal und erhält dann bestimmte Akzentuierungen:
Während manche Asperger-Kinder früh zu sprechen beginnen (z.B. Untersuchung von Remschmidt), scheint fast die Hälfte dieser Kinder erst spät sprechen zu lernen und holt diesen Rückstand bis zum Alter von 5 Jahren auf (z.B. Attwood).
Ungewöhnliche, sehr spezifische Interessen, stereotypes Verhalten: Kinder merken sich ungewöhnliche, im Allgemeinen bedeutungslose Daten, wie Flugzeugmarken, Busfahrpläne, die höchsten Berge samt Höhenmetern, Zahlen etc., Erwachsene haben spezifische Interessen, wie ausgefallene Hobbys; sie schätzen stereotype, monotone Abläufe im gewohnten Umfeld, sind strukturiert und meist gut organisiert. In fremder Umgebung sind sie oft hilflos, sogar panisch, weil sie sich nur schwer zurechtfinden.
Eines vorweg: Heilbar ist das Asperger-Syndrom nicht. Es gibt lediglich Möglichkeiten, die den Betroffenen das Leben erleichtern und den psychischen Druck von ihnen nehmen. Die Störung sollte in keinem Fall nur negativ bewertet werden, Menschen mit Asperger-Syndrom haben viele spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten (hohe Intelligenz, Sprachgewandtheit, logisch-sachliches Denken), sodass diese Stärken den augenscheinlichen Defiziten gegenübergestellt werden sollten.
Eine Therapie kann in unterschiedlichen Lebensbereichen erfolgen, je nach Persönlichkeit des Betroffenen. Wichtig für Angehörige ist, behutsam und liebevoll vorzugehen. Einfühlendes Verhalten wäre hier so zu verstehen: Menschen mit Asperger-Syndrom verstehen sachliche und logische Vorgehensweise am besten, weswegen es besser wäre, das eigene Handeln zu erklären. Dazu zählen das Respektieren des Nicht-Körperkontakts: Körperkontakt wird oft als sehr unangenehm empfunden. Es wäre besser, diese Abneigung zu respektieren, anstatt der betroffenen Person etwas aufzudrängen und sie "umzupolen", vorsichtiges Wahrnehmungstraining, ein ständiges Wiederholen von sozialen und kognitiven Lernprozessen. Gute Unterstützung bieten Musik, Kunst (Malen, Zeichnen, Formen), Sport, zunächst einzeln, später in kleineren Gruppen. Um bestimmte Verhaltensmuster zu ändern bzw. Defizite (Sozialverhalten) auszugleichen, gibt es entsprechende Kompensationsstrategien.