Reizblase

Frau muss auf die Toilette
Betroffene mit Reizblase haben auch in der Nacht das Gefühl häufiger auf die Toilette zu müssen.
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Personen mit einer Reizblase haben ständig das Gefühl, auf die Toilette zu müssen, obwohl sich in der Harnblase kaum Flüssigkeit gesammelt hat. Selbst in der Nacht ist der Harndrang so groß, dass sie dadurch geweckt werden.

Medizinische Expertise

Karl Grubmüller

Prim. Dr. Karl Grubmüller

Facharzt für Urologie
Pointgasse 14, 3500 Krems an der Donau
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Einige Betroffene verlieren ungewollt Flüssigkeit (Dranginkontinenz). Um andere Erkrankungen (z.B. Blasen- und Harnwegsinfektionen, Blasensteine, Tumore oder Unterleibszysten) auszuschließen, führt der Urologe eine Urinuntersuchung sowie Ultraschall und Blasenspiegelung durch. Außerdem werden in einem sogenannten Miktionstagebuch Trink- und Urinmenge sowie die Häufigkeit des Harndrangs notiert. Die Therapie einer Reizblase kann entweder über ein spezielles Training, mit Hilfe von Medikamenten, Botox, Hormonen oder Elektroimpulsen sowie operativ erfolgen.

Schätzungen zufolge leben in Österreich etwa 800.000 Menschen mit einer überaktiven Blase. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Zum einen liegt das daran, dass Frauen während und nach den Wechseljahren aufgrund des Östrogenmangels häufig mit einer überaktiven Blase zu tun haben. Zum anderen sind Frauen im Vergleich zu Männern durch eine viel kürzere Harnröhre häufiger von Infektionen der Harnwege betroffen. Die vermehrten Harnwegsinfektionen können in Folge eine Ursache der Reizblase sein.

Die Harnblase einer Frau speichert zwischen 250 und 400 Milliliter Flüssigkeit, bei Männern liegt die Menge sogar zwischen 350 und 500 Milliliter. Erst wenn ein bestimmter Füllzustand erreicht ist, senden Rezeptoren, die sich in der Blasenwand befinden, ein Signal an das Gehirn und kündigen somit den Harndrang an. Sofern keine Toilette aufgesucht wird, stellt sich die Empfindung noch einige Zeit zurück, die Blase füllt sich weiter und sendet dann erneut einen Reiz an das Gehirn. Das geht so lange bis dem Harndrang nachgegeben wird und sich die Blase entleert. Dieser Ablauf ist bei Personen mit einer überaktiven Blase (Reizblase) gestört.

Folgende Symptome können auftreten:

  • Gesteigerter Harndrang
  • Geringe Ausscheidung während des Toilettengangs
  • Gefühl, eine Restmenge zurückzubehalten
  • Bald nach dem Toilettengang wieder urinieren
  • Unfreiwilliger Flüssigkeitsverlust (Dranginkontinenz)
  • Betroffene werden mehrmals in der Nacht wach, um auf die Toilette zu gehen
  • Teils wird der ständige Reizzustand als schmerzhaft empfunden

Viele dieser Symptome sind denen einer Harnwegsinfektion oder Blasenentzündung ähnlich. Allerdings liegt bei der überaktiven Blase keine entzündliche Veränderung der Gewebe vor und im Urin können keine Bakterien nachgewiesen werden.

Eigentlich sollte der Blasenmuskel während der Füllungsphase entspannt sein und sich erst anspannen, wenn das Fassungsvermögen der Blase erreicht ist. Bei den Betroffenen wird der Muskel aber wesentlich früher aktiv, sodass es häufig zum Harndrang kommt. Die Ursache dieser Störung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Als Gründe werden vor allem eine Hormonstörung (Östrogenmangel), die bei Frauen ab der Menopause häufig auftritt, und eine Überaktivität und Fehlsteuerung des Blasenmuskels und seiner Rezeptoren, die schon bei geringem Füllstand einen Impuls an das Gehirn schicken, diskutiert.

Die Symptome einer Reizblase können sowohl von Veränderungen der Blasenschleimhaut (Urothel) und der Harnröhre, als auch von gynäkologischen Erkrankungen wie einer Zyste ausgelöst werden. Daher ist neben der Untersuchung beim Urologen für Frauen auch eine Vorstellung beim Gynäkologen sinnvoll.

Da der ständige Harndrang nicht durch sichtbare krankhafte Veränderungen ausgelöst wird und auch keine Bakterien im Urin nachgewiesen werden können, muss der Arzt anhand einer Ausschlussdiagnose vorgehen. Dabei werden neben Infektionen des Harntraktes auch Erkrankungen der Nieren und des Uterus ausgeschlossen. Wenn diese Ursachen nicht in Frage kommen, handelt es sich wahrscheinlich um eine überaktive Blase.

In einem ausführlichen Patientengespräch fragt der Arzt nach vorhergehenden Erkrankungen, besonders im Bereich der Blase, der Nieren und der Harnwege. Außerdem sind Informationen rund um den Toilettengang von Bedeutung. Dabei geht es vor allem um die Häufigkeit des Harndranges, um die tägliche Trinkmenge, um das Ausmaß an ausgeschiedenem Harn und darum, ob es durch den ständigen Reiz zu Inkontinenzerscheinungen kommt. Um diese Fragen möglichst genau beantworten zu können, sollten die Patienten für 2 bis 5 Tage ein sogenanntes Miktionstagesbuch führen, in dem sie Obengenanntes eintragen.

Danach folgt eine körperliche Untersuchung, um Harnwegsinfekte und andere Erkrankungen auszuschließen. Anhand einer Urinprobe wird festgestellt, ob eine bakterielle Infektion vorliegt. Außerdem kann der Arzt mit Hilfe eines Ultraschallgerätes die Gestalt und die anatomische Lage der Harnröhre und der Blase untersuchen und Gewebsveränderungen wie Zysten oder Tumore ausschließen. Auch die Messung des Restharns, der unter Umständen nach dem Toilettengang in der Harnblase verbleibt anstatt ausgeschieden zu werden, kann anhand einer Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden.

Besondere Untersuchungsmethoden sind darüber hinaus die Uroflowmetrie, bei der der Harnfluss gemessen wird, sowie die Harnröhren- und Blasenspiegelung (Urethrozytoskopie), bei der ein schmaler Schlauch durch die Harnröhre bis zur Blase eingeführt wird, um die Organe von innen zu untersuchen. Im Inneren des Schlauches befinden sich Arbeitskanäle, durch die eine Kamera, Licht und andere filigrane Instrumente bedient werden können. In unklaren Fällen wird auch eine urodynamische Messung der Harnblase und Harnröhre durchgeführt.

Die Therapie einer Reizblase kann mit Hilfe eines Blasen- und Toilettentrainings auch zu Hause erledigt werden. Auch Muskelübungen, die Sie bei der Physiotherapie lernen, können Sie in den eigenen vier Wänden regelmäßig nachmachen. Andere Behandlungsmöglichkeiten wie das Einspritzen von Botox, das Einsetzen spezieller Elektroden oder eine Operation müssen hingegen vom Arzt durchgeführt werden.

Folgende Therapien können bei einer Reizblase angewendet werden:

  • Toilettentraining: Wenn die Betroffenen nur leichte Beschwerden spüren, beginnt die Therapie der überaktiven Blase mit einem gezielten Blasen- und Toilettentraining. Dabei versucht der Patient, Schritt für Schritt die Zeit zwischen den Toilettengängen zu verlängern, um somit die Kontrolle über die Ausscheidung wiederzuerlangen. Dafür gehen die Betroffenen zu Anfang der Therapie alle 2 Stunden auf die Toilette. Dabei ist es egal ob Harndrang besteht oder nicht. Der Abstand wird dann Woche für Woche gesteigert, um einen einheitlichen Rhythmus zu erlangen. Um die Fortschritte zu dokumentieren, sollten die Patienten im Miktionstagebuch den Abstand zwischen den Toilettengängen sowie Harn- und Trinkmenge notieren.
  • Physiotherapie und Biofeedback: Mit Hilfe eines Physiotherapeuten kann ein spezielles Beckenbodentraining durchgeführt werden, um den Blasenmuskel und seinen Verschlussmechanismus zu trainieren. Die Übungen sollten dann regelmäßig zu Hause durchgeführt werden.
  • Medikamente: Mit Hilfe spezieller Wirkstoffe kann die Kontraktion der Blasenmuskulatur abgeschwächt werden. Dafür verschreibt der Arzt in der Regel sogenannte Antimuscarinika bzw. Anticholinergika, die bestimmte Rezeptoren blockieren und somit eine Weiterleitung der Nervenreize verhindern. Alle eingesetzten Medikamente haben verschiedene unerwünschte Wirkungen und müssen vom Arzt verordnet werden.
  • Lokale Östrogenisierung: Bei einigen Frauen tritt eine Reizblase erst mit den Wechseljahren und den damit verbundenen Hormonänderungen im Körper auf. Um einem Östrogenmangel entgegenzuwirken, können hormonhaltige Salben in geringen Mengen direkt in die Vagina eingebracht oder in Form von Zäpfen eingeführt werden.
  • Elektrotherapie: Bei der sogenannten Sakralen Neuromodulation werden an den Nervenwurzeln winzige Elektroden angebracht und ein Generator unter der Haut implantiert. Das Ganze funktioniert ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Die Elektroden geben Stromimpulse ab, dadurch wird die Blasenmuskulatur angeregt, sich zu entleeren. Die Blasenfunktion kann somit vom Patienten über eine kleine Fernbedienung von außen gesteuert werden.
  • Blaseninstillation: Bei dieser Methode werden in die Blase Medikamente eingebracht, die die Schleimhaut beruhigen sollen, damit der Schleimhautfilm sich regenerieren kann. Ziel der Methode ist es, dass danach weniger intensive Reize an den Rezeptoren der Blaseninnenwand ausgelöst werden. Das Arzneimittel muss über einen Zeitraum von mindestens 10-12 Wochen alle 7 Tage vom Arzt über einen dünnen Katheter in die Blase eingebracht werden. Schlägt die Behandlung an, kann das Intervall auf einen Monat verlängert werden.
  • Botolinumtoxin (Botox): Um die Muskeln der Blase zu schwächen, kann das lähmende Nervengift, das sonst hauptsächlich in der Kosmetik zum Einsatz kommt, in die Wand der Blase eingespritzt werden. Dafür dringt der Arzt durch die Harnröhre in die Blase ein und spritzt das Nervengift in stark verdünnter Form in 10 bis 30 verschiedene Areale ein, dadurch wird ein geringer Teil der gesamten Blasenmuskulatur gelähmt und es werden weniger Nervenreize zur Muskelkontraktion an das Gehirn gesendet. Die Behandlung hält in der Regel für 6 bis 9 Monate und muss dann wiederholt werden.
  • Operation: Wenn keine der genannten Behandlungsmethoden anschlägt, kann die Blase chirurgisch ersetzt oder erweitert werden. Für die Operation verwendet man in der Regel ein kleines Stück des Dünndarms.

Das Toilettentraining sowie das Beckenbodentraining können nur erfolgreich sein, wenn sich Betroffene an den Plan halten. Für das Toilettentraining heißt das: das Miktionstagebuch sollte zur Kontrolle regelmäßig und genau geführt werden, außerdem sollte man sich so gut wie möglich an die vorgeschriebenen Pausen zwischen den Toilettengängen halten. Beim Beckenbodentraining ist es wichtig, die Übungen zur Kräftigung und Straffung der Muskulatur regelmäßig durchzuführen. Ein gemeinsames Training in Gruppen kann hierbei hilfreich sein.

  • Interview mit Prim. Dr. Karl Grubmüller am 08.07.2014
  • HNO, Augenheilkunde, Dermatologie und Urologie für Pflegeberufe, E. Oestreicher, A. Burk, R. Burk, T. Freudenberger, J. Sökeland, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2003
  • Der Beckenboden - Funktion, Anpassung und Therapie, R. Tanzberger, A. Kuhn, G. Möbs, Urban & Fischer Verlag, München, 2004
  • Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde: Grundlagen, Anwendung, Therapie, U. Bühring, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2011
  • Medizin für Heilpraktiker, I. Guillou, A. Schäffler, M. Escher, K. F. Haug Verlag, Stuttgart, 2012

Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

10. August 2020

Erstellt am:

12. September 2014

Stand der medizinischen Information:

10. August 2020


ICD-Codes:
  • N32
  • N31

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